Re: Verständnisfrage


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Geschrieben von Werner am 27. August 2003 12:01:42:

Als Antwort auf: Verständnisfrage geschrieben von Stefan Lemm am 27. August 2003 09:42:06:

Hi Stefan,

sicherlich kannst Du am Ausgang Deines WTs eine Mischtemperatur von 80 °C einstellen, aber das nützt dem bereits gecrackten "Wand-Pöl" nichts mehr.

Betachten wir den Wärmedurchgang im einzelnen, von der Heißseite ausgehend.

Das heiße Abgas strömt turbulent und mit guter Quervermischung durch das Abgasrohr. An der Rohrwand gibt es eine Grenzschicht, die je nach Strömungszustand unterschiedlich dick ausgebildet ist. Als Grenzschicht wird definiert, daß die Strömung dort nicht schneller ist, als 1% der Hauptströmung. Bei Gasen niedrigen Druckes (also ein paar bar dürfen es schon sein, das ist noch niedrig) kommt der Grenzschicht auf der Gasseite keine große Bedeutung zu. Dennoch behindert sie den Wärmeübergang etwas.

So, wir sind jetzt an der kalten Wand. Hier sind bereits Kondensate ausgefallen und benetzen die Oberfläche. Bei hoher Temperatur verdampfen sie, bei niedriger nach dem Kaltstart tröpfeln sie wieder. Da Du keine Bürste vorgesehen hast und der Werkstoff auch nicht zu teuer sein darf, kommt es hier schon zu Ablagerungen, die korrosiv sind und die den Wärmeübergang behindern. Die Angelsachsen nennen das schlicht Foulingfaktor. Wir streiten uns mitunter mit den Kunden, welcher Fouling-Faktor denn nun zu nehmen ist bei der WT-Auslegung.

Als nächstes müssen wir jetzt durch die Wand mit unserer Wärme. Das ist ziemlich einfach. Achtung aber! Edelstahl hat eine viermal schlechtere Wärmeleitung als Normalstahl. Hat schon manchesmal bei Wt-Optiomierungen zu verdutzten Gesichtern geführt. (Da kommt er, der Projektleiter, keine Zeit, keine Lust: "Wie, meine Herren, durchkorrodiert? Den machen wir jetzt aus Edelstahl, ich gehe mal eben telefonieren, baut das Ding schonmal aus!" "Aber Herr ...Mist! Schon weg!")

Jetzt sind wir drinnnen und wollen das Pöl warm machen. Du denkst ja dran, daß das jetzt für alle Betriebszustände irgendwie gehen muß. Also sagen wir mal, es sind gerade draußen 700 °C. Was bekommen wir dann an der Wand? Muß man rechnen, kann man nicht schätzen, aber es wird mindestens die Hälfte sein, eher 2/3! der Wärmeübergang ist gasseitig besser und die Temperaturen stellen sich im umgekehrt proportionalen Verhältnis darauf ein. An der Wand innen klebt das Pöl. Scheißgrenzschicht! Die Klebe ist einfach nicht auf Trab zu bekommen. Wissenschaftlicher ausgedrückt bildet sich hier auch eine Schichtdicke aus. Du könntest das Zeugs mit dreitausendachthundertsiebenundvierzig Stundenkilometern durchs Rohr jagen, dann wäre die Grenzschicht zwar dünner und das Pöl würde vermutlich schon durch die Geschwindigkeit heiß werden, aber trotzdem würden die wandnahen Moleküle die Temperatur abbekommen und cracken. Der WT hat nach kurzer Betriebsdauer einen Klebefilm innen, der die Sache noch verschlimmert. Jetzt werden die Verweilzeiten richtig hoch und der ganze Mist verkokt Dir. Es ist wie mit der Leber, Du kannst den Prozeß verlangsamen, aber nicht aufhalten.

Bei der Berechnung eines solchen Gerätes wird die Grenzschicht des Pöls vermutlich den höchsten Wärmewiderstand bringen. Selbst bei sehr hohen Temperaturdifferenzen ist die Wärmestromdichte nicht berauschend.

Aber nun weiter. Wir haben das Schlachtfeld hinter uns und befinden uns in der turbulenten Rohrströmung mitten im Pöl. Na, was wollen wir denn ansetzen, um turbulent zu strömen? Reynolds 10.000 sollte es vielleicht schon sein, besser 50.000, weniger als 5.000 auf keinen Fall. Dann rechne mal! Mit den Strömungsmengen, die da herauskommen, kannst Du locker die gesamte Pölgemeinde versorgen, und das bei Vollgas! Also ein kleineres Rohr? Dann ist die Wäremübertragungsfläche wieder weg und das Ding wird ellenlang, hat Druckverluste bis zum Abwinken und ist im Nu verstopft. Von der Abgasführung drumherum fange ich erst gar nicht an. Du müßtest also einen Kreislauf herstellen mit ordentlich Durchsatz, von dem immer abgezweigt wird. Von nichts kommt nichts, die Pumpe müßte schon richtig was bringen und würde durch den Energieeintrag bereits das Pöl anwärmen.

Im Grunde entspricht die von Dir gestellte Aufgabe der Wirkungsweise eines Quenchkühlers in einem Etylenckracker. Dort wird bei Temperturen um 800 °C das Einsatzprodukt gecrackt und dann "gequencht", also blitzschnell abgekühlt, um den Crackvorgang wieder zu stoppen. Stell Dich mal in der Raffinerie in die Meßwarte einer Ethylenanlage und flüstere das Wort: "Quenchkühler". Du wirst sehen, daß mindestens einer hochschreckt und fragt: "Wieso, was ist schon wieder damit?"

Also wenn Du nun unbedingt noch die Sache haben willst, mache ich Dir gerne eine Kostenvoranschlag für die Auslegung. Es werden noch einige Nebenaggregate in Deinem Auto plaziert werden müssen und vielleicht noch ein zusätzlicher Generator und ein Dampferzeuger für die Regeneration. Ich empfehle außerdem Redundanz, damit immer ein Wärmetauscher in der Reinigungsphase sein kann, und einer in Benutzung. Das höhere Fahzeuggewicht könnten wir vielleicht mit einer Zwillingsbereifung kompensieren. Sorry, bin kein KFZ-ler. Mit einem Instrumententableau von 30 auf 40 cm für die Überwachung müßten wir eigentlich auskommen. Oder sonst ein Bildschirm.

So, wenn ich noch weiter ausholen soll, sollten wir das Forum verlassen und nicht noch mehr Speicher damit füllen.

Im Vertrauen gesagt, mich läßt der Gedanke auch nicht los, die sehr schnell zur Verfügung stehende Abgaswärme irgendwie zur Pölvorwärmung zu nutzen. Ich denke immer noch an ein AGR-Ventil, was so gesteuert wird, daß die Temperaturen im WT unkritisch bleiben, und was dann bei ausreichend Wassertemperatur vollständig geschlossen bleibt. Leicht wird aber auch das nicht.


Viele Grüße

Werner

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